Wenn die Mutter mit der Tochter spielt

Erstes gemeinsames Heimspiel: Beim Frauenhandball-Drittligisten ist ein Familien-Traum Wirklichkeit geworden. Björn Pazen, Trierischer Volksfreund, 13.12.2022
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Mutter und Tochter: Andrea und Nina Czanik liefen am Samstag erstmals bei einem Heimspiel zusammen für die HSG Wittlich auf. Foto: TV/Thomas Prenosil


„Irgendwann spielt ihr einmal zusammen in einer Mannschaft“: Das hatte die frühere Miezen-Trainerin Christina Cabeza vor ein paar Jahren zu Andrea Czanik und ihrer Tochter Nina gesagt. „Und das war auch immer unser Traum“, gibt die Kreisläuferin zu. Nun wurde dieser Familien-Traum wahr. Mutter Andrea (43) und Tochter Nina (16) feierten beim 21:29 gegen Nieder-Roden ihre gemeinsame Heimspielpremiere im Trikot der HSG Wittlich, nachdem sie auswärts bereits zweimal gemeinsam im Kader des Frauenhandball-Drittligisten gestanden hatten.


Eigentlich hatte Andrea Czanik, die bei einer Trierer Sicherheitsfirma arbeitet, ihre Handballschuhe nach der vergangenen Saison endgültig an den Nagel gehängt. Seit 2019 spielte sie für die HSG, zuvor stand die frühere slowakische Nationalspielerin sieben Jahre für die DJK/MJC Trier in der ersten und zweiten Bundesliga auf dem Feld.


Als Czanik 2012 vom slowakischen Erstligisten Dusla Sala nach Trier kam, war ihre Tochter Nina fünf Jahre alt – seither lebt die Familie in Kasel im Kreis Trier-Saarburg. Und schon damals war klar, dass Nina in die Fußstapfen ihrer Mutter treten würde, einen Handball hatte sie immer dabei. Nina begann in den MJC-Minis, wurde bis zur C-Jugend von ihrer Mutter trainiert.


Als die MJC mit der HSG eine Spielgemeinschaft in der C-Jugend-Oberliga startete, kam Nina mit, sie wechselte schließlich nach Wittlich. Vor zwei Jahren musste sie eine Entscheidung treffen: Für welches Land will ich einmal auflaufen? „Ganz klar, die Slowakei. Da bin ich geboren, da spielte meine Mutter in der Nationalmannschaft, das ist mein Zuhause“, sagt sie heute.
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„Unglaublich glücklich“: Andrea und Nina Czanik. Foto: TV/Björn Pazen


Und so kam es, dass in der Wittlicher Jugend fortan zwei Nationalspielerinnen mit unterschiedlichen Pässen aufliefen: Nina Czanik und die für Deutschland spielende Jessy Souza, Schwester von Jenny Souza, die Profi bei Bayer Leverkusen ist. „Ich hoffe, dass wir mit unseren Nationalmannschaften mal gegeneinander spielen, das wäre genial“, sagt Nina Czanik.


In diesem Sommer absolvierte sie ihr erstes großes Turnier – als eine der Jüngsten war sie beim European Youth Olympic Festival in ihrer Heimat mit dabei. Im nächsten Sommer hofft sie, mit der Slowakei bei der U-17-EM aufzulaufen.


Dafür nimmt die Familie Czanik einiges auf sich: Diese Woche absolviert Nina ein Vier-Länderturnier in Polen mit Spielen gegen Ungarn, Tschechien und die Gastgeber. Mutter Andrea fiebert auf der Tribüne mit. Am Sonntagabend flogen beide nach Bratislava, wo sich die Mannschaft traf. Gestern ging es weiter nach Polen.


Nach dem Turnier geht es schnell wieder nach Hause, denn am Sonntag steht mit der B-Jugend der HSG das nächste Oberligaspiel gegen Mainz-Bretzenheim auf dem Programm. Am vergangenen Wochenende stand Nina gleich zweimal hintereinander auf dem Feld: mittags steuerte sie elf Treffer zum 32:18-Erfolg der B-Jugend gegen Merzig-Hilbringen bei, abends traf sie einmal in der 3. Liga der Frauen gegen Nieder-Roden. Ihre ersten drei Treffer für die HSG-Frauen überhaupt hatte sie zwei Wochen zuvor in Bensheim erzielt – auch da spielten Mutter und Tochter schon gemeinsam.

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2012 kam Familie Czanik an die Mosel. Hier präsentiert Mutter Andrea mit Tochter Nina stolz einen bestandenen Deutsch-Test. Foto: g_sport5@volksfreund.de


„Es ist ein unglaublich tolles Gefühl, zusammen mit Nina zu spielen“, sagt Andrea Czanik, die aufgrund der Personalmisere der Wittlicherinnen noch einmal reaktiviert wurde. „Andrea ist ein Glücksfall für uns“, sagt HSG-Trainer Thomas Feilen: „Und dass Nina mit 16 Jahren schon in der ersten Mannschaft spielt, ist ein Beleg für unsere tolle Jugendarbeit.“


Seit zwei Jahren – anfangs sporadisch, seit vergangener Saison permanent – trainiert Nina Czanik bei den HSG-Frauen mit. Dort ist ihr B-Jugend-Trainer Tobias Quary auch der Co-Trainer. „Es ist toll, dass die Trainer mir schon so früh das Vertrauen schenken“, sagt Nina Czanik. Bei der HSG läuft sie im linken Rückraum auf, sie kann aber auch als Spielmacherin eingesetzt werden: „Ich spiele dort, wo ich gebraucht werde. Und am liebsten versorge ich meine Mutter am Kreis mit Pässen.“


„Wir verstehen uns blind auf dem Feld“, sagt ihre Mutter. Viel gelernt für ihre Position im Rückraum hat Nina auch von ihrer Tante Lucie Weibelova, die ebenfalls einmal bei den Miezen gespielt und ihre Karriere gerade in der Schweiz beendet hat. „Am liebsten spiele ich Pässe mit einem gewissen Risiko, etwas Überraschendes eben“, sagt die Tochter, die sich einiges bei Handballcamps beim ungarischen Champions-League-Rekordsieger aus Györ abgeschaut hat. „Natürlich wäre es ein Traum, einmal in Györ zu spielen, ich spreche ja auch fließend Ungarisch. Aber ich bin froh, dass ich jetzt in Wittlich bei den Frauen mitspielen kann. Ich will ja auch noch hier meine Schule beenden und mein Abitur machen.“

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