HSG-Pressewart ist Medienchef des Olympischen Handballturniers

Olympische Spiele Tokio – Warum Björn Pazen, TV-Mitarbeiter und Pressewart der HSG Wittlich, dort als Handball-Experte gebraucht wird
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Fotos u. Text: Trierischer Volksfreund (TV)/Björn Pazen


Die Maskottchen für Olympia (Miraitowa, links) und Paralympics (Someity, rechts) waren schon im Dezember 2019 überall in Tokio zu sehen.
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Im aktuellen Notstand sind die ansonsten prallvollen Straßen in Tokio menschenleer.
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Während der zweiwöchigen Isolation kann sich Björn Pazen schon mit den ersten Unterlagen für seinen Olympiajob befassen.


TV-Mitarbeiter Björn Pazen wird bei den Olympischen Spielen als Medienchef des Handballturniers tätig sein und zudem für den Volksfreund Kolumnen schreiben. Seit Mittwoch ist er im Isolationshotel in der japanischen Hauptstadt.


Beim Trierischen Volksfreund ist Björn Pazen unter anderen für Zeitungsprojekte für Kinder und Jugendliche verantwortlich, als langjähriger Sportredakteur war und ist der 49-Jährige aber vor allem ein Handballexperte. Schon bevor er sich 2012 selbstständig machte, war Pazen in verschiedenen Funktionen für internationale Handballverbände tätig. Nach Peking 2008 und London 2012 steht er nun vor seinen dritten Olympischen Spielen – in Tokio ist aber alles anders.


Vor und während der Olympischen Spiele wird Björn Pazen in der TV-Kolumne „Konichiwa“ (Hallo!) aus Tokio berichten. Seit vergangenen Mittwoch ist er bereits in der japanischen Hauptstadt – den Anfang macht eine zweiwöchige Isolation in einem Hotelzimmer, dann startet die Arbeit als Medienchef des Handballturniers in der Yoyogi-Halle.


Samstagmorgen, 8.45 Uhr Ortszeit. Es klopft an der Tür von Zimmer 911 im Toyoko-Inn in Tokio. „PCR Test“ ruft die Stimme vom Flur des offiziellen Isolationshotels der japanischen Regierung. Auch bei allen Nachbarn wird die Japanerin klopfen, die mit einem blauen Einwegkittel und Mundschutz von Tür zu Tür geht und die Test-Sets für die Spucktests verteilt. Bis 10 Uhr müssen die gefüllten Röhrchen im vorbereiten Tütchen wieder in der Plastikschale zur Abholung stehen.


Seit Mittwochmittag bin ich im Toyoko-Inn, wir sind eine rund 50-köpfige Gruppe aus der ganzen Welt – und uns eint, dass wir 14 Tage die rund neun Quadratmeter großen Zimmer des Toyoko-Inn nicht verlassen dürfen, weil wir ab dem 24. Juni bei den Olympischen Spielen von Tokio tätig sein werden. Wir alle arbeiten für die Abteilung „Press Operations“ des Organisationskomitees, das heißt, wir sind verantwortlich für die Organisation und Abläufe, was die Medien- und Fotografenbereiche bei den über 20 Sportarten betrifft.


Wie der Trierer Ruderer Richard Schmidt im TV-Interview am Samstag völlig richtig sagte, werden die Olympischen Spiele von Tokio ganz anders als frühere. Richard und ich hatten uns schon 2008 in Peking getroffen, dort hatten wir jeweils unsere Olympiapremiere. Er im Achter, ich als Journalist für den Handball-Weltverband IHF. Als Schmidt 2012 Olympiagold in London gewann, drückte ich im Mediencenter der Copper Box, wo das Handballturnier stattfand, die Daumen. Ich war für den sogenannten Olympic News Service im Einsatz, einer Art Olympischen Nachrichtenagentur, war für die Handballberichterstattung zuständig. Für Rio 2016, wo Schmidt mit dem Achter Silber gewann, war ich auch eingeplant, aber wenige Monate vor den Spielen wurde meine (und nicht nur diese) Stelle aus Kostengründen eingespart.


Nun also Tokio. Im Juli 2019 stand fest, dass ich als Medienchef des Olympischen Handballturniers arbeiten würde, im Dezember 2019 war ich zur Frauen-Handball-WM in Japan und dann auch für einige Tage in Tokio – die Vorfreude auf die Olympischen Spiele stieg. Dann kam Corona, im März 2020 wurden die Spiele verschoben. Ob sie wirklich stattfinden würden, stand lange Zeit nicht fest. Die Stimmung bei den Japanern war gekippt, der Notstand in der Region Tokio wurde immer wieder verlängert – auch wenn die Inzidenzen im Vergleich zu Europa sehr, sehr niedrig waren.


Vor allem, dass Zehntausende ausländische Sportler, Mitarbeiter und Besucher nach Tokio kommen würden, sorgte für Unbehagen und Kritik bei der Bevölkerung. Das Internationale Olympische Komitee und die japanische Regierung ergriffen Maßnahmen: Ausländische Fans dürfen nicht einreisen, die Zahl von Gästen der Verbände, der Freiwilligen (Volunteers), aber auch die Zahl der akkreditierten Journalisten wurde stark reduziert. Die Sportler selbst kommen nur für die Zeit ihrer Wettkämpfe ins Olympische Dorf, müssen schnell wieder abreisen statt noch bis zur Abschlussfeier bleiben. Journalisten dürfen nur die vorher mit zwei Wochen Vorlauf ausgewählten Sportstätten besuchen, dürfen nur in eigenen Shuttlebussen fahren, keinen ÖPNV nutzen. Um 20 Uhr schließen alle Lokale und Restaurants. Ob japanische Zuschauer bei den Spielen erlaubt sind, ist noch offen – aktuell sieht es aber wieder besser aus, dass es keine Geisterspiele gibt.


Von all dem bekommen wir in unserem Toyoko-Inn nur aus den internationalen Medien mit. Kontakt nach Außen (und nicht einmal persönlich untereinander) haben wir keinen, im Fernsehen gibt es zwar 30 Programme, aber nur japanisch-sprachige. Im Gegensatz zu Athleten oder Journalisten, auf die nur bis zu drei Tage nach der Einreise warten, müssen wir Mitarbeiter zwei Wochen in Isolation.


„Wir wissen, dass diese 14 Tage eine lange Zeit für euch sind. Aber wir werden diese Herausforderungen meistern und Geschichte schreiben“, steht in Englisch auf der aufmunternden Visitenkarte des Chefs von „Press Operations“, die beim Einzug ins Hotel in der Willkommenstüte überreicht wurde, dazu ein paar Teebeutel, Kekse und Reiswaffeln. Dreimal am Tag klopft es nun an der Tür, die Verpflegung wird in besagte Plastikwannen vor der Zimmertür gestellt. Meist sind es die in Japan so beliebten „Bento-Boxen“, eine Box, abwechslungsreich gefüllt mit Reisbällchen, Huhn, Fisch, frischem und sauer eingelegten Gemüse – sehr lecker.


Auch typisch für Japan: Schon weit vor der Abreise gab es zahllose Formulare zur Visabeantragung – weil man ja eigentlich nicht in Japan einreisen darf. Nach der Landung am Flughafen Haneda gab es neben PCR-Spucktest auch zahlreiche Stationen, wo eben alle diese Formulare vorgelegt werden mussten, die dann mehrfach gestempelt am Ende wieder eingesammelt wurden.


Zur Tagesroutine gehören seither natürlich auch zahlreiche Corona-Maßnahmen: Zum Beispiel Fiebermessen. Bis 9:30 Uhr Ortszeit muss man auf einem Onlineportal des Gesundheitsministeriums seine Temperatur sowie weitere Angaben zum Gesundheitszustand machen. Per App mit Namen OEL (Overseas Entrants Locator) muss man mehrfach täglich seinen Standort an die Gesundheitsbehörden weitergeben und belegen, dass man auch in seinem Zimmer ist. Unmissverständlich steht in den Unterlagen: „Wer das Zimmer oder das Hotel verlässt, dem droht der Verlust seines Jobs bei den Olympischen Spielen.“ Nachmittags folgt auf einem anderen Portal nochmals eine Abfrage des aktuellen Gesundheitszustands. In den Mails wird ebenfalls immer wieder klar gesagt: „Wer sich nicht an diese Regeln hält, wird öffentlich gemacht und hart bestraft.“


Manche Bekannte haben mich im Vorfeld gefragt, wie man sich freiwillig zwei Wochen Isolation in einem Hotelzimmer antun kann – und ob man da „halbwegs normal“ wieder rauskommt. Mein Vorteil: Ich hatte diese Erfahrung bereits im Dezember 2020 bei der Frauen-Handball-Europameisterschaft gemacht, als ich für drei Wochen als „Bubble-Reporter“ im Mannschaftshotel in Dänemark „einkaserniert“ war, das ich ebenfalls nicht verlassen durfte.


Die positive Überraschung bei Bezug meines Zimmers 911: Man kann das Fenster öffnen, mit aus der Heimat mitgebrachtem Instantkaffee, viel Frischluft und ein paar Mal täglich aus dem Fenster auf die – meist menschenleeren – Straßen schauen, vergeht die Zeit schneller. Bei der Fahrt vom Flughafen zum Hotel war es im Vergleich zu Dezember 2019 schon gespenstisch, wie wenige Menschen und Autos unterwegs sind, aber es ist eben Notstand. Die Temperaturen von 28 Grad und die sehr hohe Luftfeuchtigkeit sind die Menschen hier gewohnt.


Am 24. Juni heißt es umziehen in ein Appartement irgendwo in Tokio, dann geht meine Arbeit im Yoyogi National Stadium los, so heißt die Arena des Olympischen Handballturniers. Übrigens die einzige aktuelle Wettkampfstätte, die schon bei Olympia 1964 im Einsatz war – seinerzeit als Schwimmstadion und Basketballhalle. Ob und wie viele Zuschauer dann in diese Halle und alle Sportstätten dürfen, soll bis 20. Juni entschieden werden – dann endet zumindest der aktuell geltende Notstand für die Region Tokio.


Auch für uns gelten vor und während der Spiele strenge Regeln, was den (Nicht)-Aufenthalt außerhalb unserer Sportstätten und Appartements betrifft. Aber trotz allem – da bin ich wieder absolut einig mit Richard Schmidt aus seinem TV-Interview von Samstag: Die Vorfreude auf Olympia ist riesengroß, es wird spannend, es wird anders, aber es wird klappen, auch wenn die Beschränkungen schon enorm sind.


Quelle: Trierischer Volksfreund vom 13.6.2021

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